KIK - Kinderarbeit für Billig-Kleidung

Mit seiner aggressiven Preispolitik ist der Textildiscounter im Einzelhandel sehr erfolgreich. Doch wie kommen die Schleuderpreise zustande - und wer muss dafür bezahlen?





Bei einem Stundenlohn von anfangs 4,50 Euro musste gearbeitet werden
Dazugehörigen erbrachten Leistungen:
  • Kasse
  • Kunden bedienen
  • Waren und Bestände 
  • Inventur
  • Reinigung













1844 revoltierten in Schlesien die Weber. Näherinnen in Bangladesch und China arbeiten heute unter gleich entwürdigenden Bedingungen. Doch Hauptsache: Mode macht Spaß! 
 
 

In Bangladesch nähen lassen, in Deutschland verkaufen

Wenn das Weihnachtsgeschäft rollt, blickt die Nation gebannt auf die Umsatzzahlen des Einzelhandels. Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), darf jedes Jahr im Dezember in der Tagesschau ran. Interessant ist nur, was er nicht sagt: Dass seine Mitgliedsfirmen in den vergangenen Jahren Textilien, aus China und Bangladesch, immer günstiger eingekauft und damit ihre Handelsergebnisse gesteigert haben.
Nun wissen wir es inzwischen ja fast alle: Textilien werden heute kaum mehr in Deutschland gefertigt, sondern kommen aus China, Indien, Bangladesch, Malaysia, Indonesien, Kambodscha und Vietnam und einigen wenigen anderen Ländern, der Türkei, Marokko und Mexiko. Den Ton in diesem Konzert geben die Chinesen an, für arme Länder wie Bangladesch ist die in den letzten 15 Jahren entstandene Textilindustrie der einzige Industriezweig.

 

 

Näherin und Gewerkschafterin aus Bangladesch

Zwei mutige Frauen aus Bangladesch, die Näherin Suma Sarker und die frühere Textilarbeiterin und jetzige Gewerkschafterin Shahida Sarker, berichteten am 1. Dezember 2008 in der Friedrich-Ebert-Stifung (Bonn) über ihren Arbeitsalltag, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen, ihre Sorgen und ihre Hoffnungen.
„Es bleibt nichts übrig am Monatsende“, sagt Suma Sarker, Mutter eines zweijährigen Sohnes. Bei täglicher Arbeit an sieben Werktagen von 10 Stunden kommt sie als erfahrene Näherin auf einen Monatslohn von 29 Euro. Nur mit Überstunden und Sonderschichten kann sie bis zu 50 Euro im Monat erreichen, was aber nur selten der Fall ist. Im Durchschnitt mögen es 40 Euro im Monat sein, über die sie verfügen kann. Davon zahlt sie 5 Euro Miete für ein Zimmer in einer Wellblechhütte, das sie sich mit drei Kolleginnen teilt. Für das Essen benötigt sie 15 Euro im Monat. Für den zweijährigen Sohn, der sechs Autobusstunden entfernt bei ihrer Mutter lebt und den sie nur zweimal im Jahr besuchen kann, bringt sie 10 Euro auf, für ihre Mutter ebenfalls 10 Euro. Wenn sie krank wird, hilft die Familie, wenn sie kann.
Luft, Licht, Trinkwasser sind schlecht in ihrer Fabrik, beeinträchtigen die Arbeit und die Gesundheit. Die Menschen arbeiten auf engstem Raum. Eine beklemmende Frage: Arbeiten diese Menschen im Jahr 2008 unter noch elenderen Umständen als die Spinner und Weber 1844 in Schlesien, in Manchester, Lyon und den vielen weiteren Textildistrikten in Europa? Die Fabrik in Dakha hat acht Etagen, auf jeder Ebene arbeiten 200 bis 250 Menschen, schneiden, nähen und konfektionieren Kleidung für den mode- und preisbewussten Verbraucher in Nordamerika und Europa, also auch für uns. Fast 2 Millionen Menschen, meistens Frauen, arbeiten in der Textilindustrie von Bangladesch. Am Monatsende können die meisten, sofern sie ihr Geld pünktlich ausbezahlt bekommen, nur feststellen, dass es wieder nicht gereicht hat, etwas zu sparen, einen bescheidenen Wohlstand aufzubauen, vielleicht Rücklagen für die Ausbildung der Kinder zu bilden.


Lohnanteil der Näherin am Ladenverkaufspreis: 1 Prozent

Jeans für ab 5,99 €, T-Shirts ab 1,99 €, Winterjacken mit 12 Reißverschlüssen, dickem Futter, Kapuze für 24,99 € - toll, Klasse, da können Hartz IV-Betroffene und sonstige sparsame Menschen doch gar nicht ´Nein´ sagen, einfach nur toll, wie das die vielen Textilläden immer wieder für den Verbraucher hinkriegen, so viele schöne billige Klamotten in die Regale zu legen. Musterbeispiel KiK (Kunde ist König, Tengelmann-Gruppe):
Eine Werbung noch unter der Niedrigst-Niveau-Werbung „Ich bin doch nicht blöd“: Die Beschäftigten in den KiK-Filialen werden mit 4,90 € die Stunde, jetzt nach Gerichtsurteilen mit 5,20 € abgespeist, müssen die Filialen auch reinigen, die Schaufenster putzen - aber Hauptsache, der Verbraucher ist zufrieden und die Bilanz von Tengelmann stimmt. Aber Vorsicht: Es sind nicht nur die Tengelmann-Verbraucher, die Textilien erwerben, die mit der Gesundheit der Textilarbeiter in Bangladesch, China oder anderswo bezahlt werden.
Durch alle Verkaufsräume, ob bei H & M, Tommy Hilfiger, Tommy Taylor, C & A, Tchibo, Esprit, P & C, Karstadt, Metro oder WalMart und all die anderen, geistern die Gesichter der Ausgebeuteten, bei der Arbeit Erniedrigten, der früh Krankwerdenden – jener Armen, die bei angestrengtester Arbeit ihrem Elend und ihrer Unterdrückung nicht entweichen können. In denen aber die Flamme der Hoffnung lodert, dass es eines Tages für sie und ihre Kinder ein besseres Leben geben werde. Ein Boykott ihrer Arbeit – nein, der falsche Weg. Ungerechtigkeiten anprangern, Übergriffe von Aufsehern der Polizei melden, bei Arbeitsauseinandersetzungen mit Hilfe von Rechtsanwälten vorgehen, die Einhaltung der bestehenden Gesetze einfordern, die Korruption bekämpfen. Wahrlich, Suma und Shahida Sarker wissen, wo es lang geht. Eigentlich war es auch in Deutschland so: die Entwicklung der industriellen Arbeit war ein wichtiger Nährboden für die Emanzipation der Frau.



Frauen nähen, Männer kochen

Tatsächlich berichtet Dr. Pratima Paul-Marunder (Institut für Entwicklungsstudien BIDS, Bangladesch), dass die Textilindustrie für Bangladesch - als einziger Industriezweig gleichzeitig natürlich auch der wichtigste - vor allem für die Frauen viele positive Veränderungen gebracht hat: Erstmals in ihrer Geschichte können Frauen über eigenes, selbstverdientes Geld verfügen. Viele Männer würden sich den Gegebenheiten anpassen und Hausarbeit übernehmen, zum Beispiel das Kochen. Noch vor einigen Jahren unvorstellbar im muslimisch geprägten Bangladesch. Und trotz des übermächtigen Konkurrenten China könne sich Bangladesch am Welttextilmarkt behaupten und jährlich Produktionssteigerungen und eine Zunahme der Beschäftigung vermelden.


Wer überwacht definierte Sozialnormen?

Natürlich kümmern sich Organisationen in Europa und in Deutschland um diese Thematik. Die Rundreise von Suma und Shahida wird von zahlreichen Organisationen und Gruppen unterstützt. Organisiert hat sie NETZ-Banladesch, Gisela Burckhardt und Dirk Saam. NETZ ist Mitglied der Kampagne für Saubere Kleidung, einem Trägerkreis, wo gewerkschaftliche (ver.di) und kirchliche Gruppierungen, aber auch Nichtregierungsorganisationen wie NETZ und TERRE DES FEMMES Mitglied sind. Natürlich darf die Frage erlaubt sein, wieso denn in Deutschland, zum Beispiel im Textilbereich, z.B. bei KiK, Arbeitsverhältnisse bestehen, die es den Beschäftigten nicht erlauben, mit dem Verdienten bescheiden und auskömmlich zu leben? Wie wollen Gewerkschaften, die so ein Problem jahrelang nicht vor der eigenen Haustür regeln können, den Textilarbeiterinnen in Bangladesch wirkungsvolle Unterstützung geben? (Hinweis: In China kommt man an diese Arbeiterinnen gar nicht heran, weil sie kaserniert und kontrolliert auf dem Fabrikgelände leben.) Das Leuchten in den Augen von Shahida Saker, als sie von ihrer gewerkschaftlichen Arbeit unter den Textilarbeiterinnen in Bangladesch spricht, sollte allein schon Ansporn sein, diese Arbeit in Bangladesch tatkräftig zu unterstützen: Mit dem Ausbau einer gewerkschaftlichen Organisation, mit der Verfügung über Kommunikationsmittel wie Kopierer, Mobiltelefonen und und und. Ob die von gewerkschaftlicher Seite international koordinierten Anstrengungen (manche nennen dies schon „Kampf“) in der Formulierung und Durchsetzung von Sozialnormen und Selbstverpflichtungserklärungen das Papier wert sind, auf dem sie stehen? Wer weiß das schon? Suma und Shahida wissen am besten, was vor Ort richtig und notwendig ist. Von gewerkschaftlicher Seite allerdings auf den hiesigen „Sozialpartner“ zu setzen, der dann in Bangladesch, Indien oder China die hier definierten Normen und Selbstverpflichtungserklärungen kontrolliert – Suma und Shahida wissen, dass das vor Ort nicht klappt und schildern es anschaulich, aus China liegen ähnliche Berichte vor.
Suma und Shahida Sarker - wenn sie denn ideell, personell, tatkräftig, finanziell und solidarisch unterstützt werden - können die Arbeitsverhältnisse in ihrem Land verändern. Zu ihrem eigenen Vorteil und dem ihres Landes, was wir ihnen von ganzem Herzen wünschen und gönnen. Für uns bliebe irgendwann das beruhigte Gewissen, Kleidung am Leib zu tragen, die nicht auf dem Prinzip der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht.





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