Tchibo - jeder kennt den Kaffee, aber nicht wer für ihn arbeiten muss





In vielen Kaffeeanbauländern herrscht nackte Not unter Kleinbauern und Plantagenarbeitern. Sogar Kinderarbeit ist an der Tagesordnung. Was können Kaffeetrinker dagegen tun?


Der schlichte Filterkaffee ist immer noch der absolute Renner - früher Luxus, heute ein Billiggetränk. Im Supermarkt jagt eine Preisaktion die nächste. Der Kampf um Marktanteile ist knallhart, wie Professor Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg beobachtet: „Kaffee ist ein Produkt, dessen Preis der Konsument kennt, so wie bei Milch oder Butter. Deswegen ist es für die Discounter sehr naheliegend, den Preis zu senken. Der Preiskrieg wird im Moment insbesondere von Aldi betrieben. Aldi besitzt eigene Röstereien und ist, was den Kaffee anbelangt, in einer sehr guten Position. Die Supermärkte, die sich hier nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen, reagieren, indem sie Preisaktionen fahren.“

Weltweit werden jedoch die Arabica-Bohnen knapp und teuer. Als Grund werden Missernten angeführt. Der Weltmarktpreis ist im Lauf des vergangenen Jahres um das Doppelte gestiegen. Lange Zeit hat der Handel versucht, die Preise trotzdem stabil zu halten. „Niemand hat sich getraut, der Erste zu sein, weil die Verbraucher darauf sofort reagiert hätten und das vermutlich deutlich Marktanteile gekostet hätte. Und so haben alle gewartet, wer der Erste ist, der es wagt, Preissteigerungen vorzunehmen“, berichtet Professor Roeb. Tchibo hat schließlich den Anfang gemacht, andere haben nachgezogen. Aldi zum Beispiel hat jetzt den Preis um satte 20 Prozent erhöht: von 2,49 Euro auf 2,99 Euro.

Ob davon etwas in den Anbaugebieten ankommt? Professor Roeb ist da skeptisch: „Der Kaffeepflücker profitiert - wenn überhaupt - am wenigsten davon. Allenfalls kann ich mir noch vorstellen, dass die Plantagen ausgeweitet werden und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber der Einzelne wird davon wenig profitieren, weil er einfach keine Verhandlungsmacht hat.“


Kinderarbeit in Guatemala

Kaffeeernte in Guatemala: Wir sehen Kinder, die fürs Kaffeegeschäft schuften. Julietta ist erst neun Jahre alt, arbeitet aber dennoch wie eine Erwachsene den ganzen Tag. Auch ihre Geschwister arbeiten auf der Kaffeeplantage. Knochenarbeit. Sie müssen für die Familie mitverdienen.

Es ist ein Teufelskreis, wie Alvaro Ramazzini, Bischof von San Marco, beklagt: „Die Kinder müssen arbeiten, gehen nicht zur Schule, bekommen keine Bildung. Und am Ende werden sie das Gleiche machen wie ihre Eltern.“ Nach Angaben der katholischen Kirche sollen 900.000 Kinder in Guatemala arbeiten.

An welchen Röster die Bohnen gehen, die die Kinder pflücken, erfahren wir nicht. Nach Europa, sagt man uns nur. Der Mitarbeiter eines Exporteurs führt uns zu einer Finca, deren Ernte zu 100 Prozent nach Deutschland geht. Zur Erntezeit sollen dort bis zu 800 Helfer arbeiten. Wir sind willkommen, doch sofort werden uns die Regeln klargemacht: Keine Kinder bei der Arbeit zeigen! Auf der Fahrt hoch zu den Pflückern entdecken wir Dutzende Kinder, die schwer schleppen müssen. Oben angekommen, dürfen wir nur ausgesuchte Pflücker filmen - unter Aufsicht des Wachpersonals. Auf der Rückfahrt erklärt uns der Mitarbeiter der Exportfirma, dass man Europäern solche Zustände lieber nicht zeigt. Auch die Bohnen der nächsten Finca, die wir besuchen, gehen nach Deutschland. Für deren Besitzerin scheint Kinderarbeit so normal zu sein, dass sie uns sogar alles filmen lässt.

Wie kann es sein, dass die deutschen Kaffeeeinkäufer das einfach so hinnehmen? Rechtsanwalt Carlos Armando Villatoro von der Arbeiterorganisation MTC hat dafür eine einfache Erklärung: „Die Kaffeekäufer sehen die Zustände auf der Finca nicht. Wenn sie hierher kommen, verhandeln sie über Preise, gucken sich die Qualität des Kaffees an. Wie es auf den Fincas wirklich zugeht, nehmen sie nicht wahr.“



Fair gehandelt?

Die Siegel „Fair Trade“, „Rainforest Alliance“ oder „Utz Certified“ versprechen zwar keine heile Welt, aber immerhin eine etwas bessere. Ihre Kriterien: Umweltschutz, faire Behandlung der Bauern und Verzicht auf Kinderarbeit. Doch darüber machen sich die meisten Verbraucher hierzulande offenbar kaum Gedanken.

In niederländischen Supermärkten erfüllt etwa 40 Prozent des Kaffeeangebots die Kriterien eines fairen Handels. In vier Jahren sollen es 75 Prozent sein, danach sogar 100 Prozent. Von solchen Quoten ist man in Deutschland weit entfernt. Bärbel Weiligmann von der unabhängigen Organisation „Tropical Commodity Coalition“ sieht dafür die deutsche Kaffeeindustrie in der Verantwortung: „Der Kaffeeverband in Deutschland ist nicht in der Lage, den Sektor zu bündeln, alle Beteiligten zusammenzubringen und eine Strategie zum Thema Nachhaltigkeit zu entwickeln. Die deutsche Kaffeeindustrie sieht noch keine Notwendigkeit, größere Schritte zu machen.“

Die Zahlen sprechen für sich: Kraft Foods zum Beispiel verkauft in Deutschland Jacobs Krönung, Kaffee Hag und Onko-Kaffee. 20 Prozent sei Siegelkaffee, schreibt man uns, - allerdings weltweit. Die deutschen Zahlen will man uns nicht nennen. Tchibo verkauft in Deutschland etwa zehn Prozent Siegelkaffee. Aber aufgepasst: Tchibo-Kaffee trägt nur eine abgespeckte Version des Rainforest-Alliance-Siegels. Sie verspricht statt 100 Prozent nur 30 Prozent Siegelkaffee. Komplette Fehlanzeige dagegen bei Nestlé: In deutschen Supermärkten gibt es keinen Kaffee von Nestlé mit einem der einschlägigen Siegel.



Übrigens: Bei Aldi gibt es jetzt auch Kaffee mit dem Fair-Trade-Siegel. Da kostet eine Tasse Kaffee dann statt fünf Cent rund acht Cent. Das ist ja wohl immer noch erschwinglich.




Der Tchibo-Check

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